„Wie geht’s mit Alfred?“ fragte mich Anita vor ein paar Wochen im Club. „Wir können ja mal wieder zusammen spazieren gehen, oder?“
„Ja, klar“, sagte ich, sie ist ja echt ein süßes Mädel mit viel Hundeverstand und es ist Sommer…
„Springt er noch Leute an, zieht er? Rennt er einfach weg?“ fragte sie.
„Ja“, gab ich zu.
„Dann schau mal da“, sie zeigte mir eine Zeitungsannounce in der stand:
„Ihr Hund spring Leute an, zieht und rennt einfach weg? Kommen Sie zu uns, in das Hundeerziehungsland im Elsaß“. Daneben ein Foto von einem Mann mit fünf Hunden, die brav um den Meister herum saßen. „Philippe’s Hundewelt“ stand da noch, und eine Adresse.
Ich habe daraufhin Philippe angerufen und er fragte mich am Telefon:
„Willst Du, dass der Hund weiß, wer ist Chef?“
„Ja, klar“, murmelte ich und buchte den Super-Basic-Intensivkurs 1c. Der Unterricht findet zwar fast eine Stunde von Freiburg entfernt in Frankreich statt, aber vielleicht gibt es ja revolutionäre neue Erkenntnisse aus dem LAnd der Revolution…
Seit drei Wochen sind wir nun bei Philippe im Unterricht. Außer uns noch vier andere Hunde, allesamt aus Deutschland, darunter Gismo, ein Großer Schweizer, der alle dominieren will. Die französischen Hunde scheinen nicht so problematisch zu sein…
Das erste, was Philippe sagte, als er Alfred und mich sah: „Nimmst Du Retrieverleine nächstes Mal, dann weiß Hund den Chef“. Ich hatte das nicht ganz verstanden, aber es gibt tatsächlich solche Leinen, bei denen man sich das Halsband spart.
„Das machst Du weg und das machst Du richtig“, war der Kommentar bei meinem zweiten Besuch. Bei der ersten Bemerkung meinte er einen Ring, der verhindern soll, dass die Retriever-Leine zu eng wird, und bei der zweiten meinte er die Art und Weise, wie man einen Hund richtig anleint. So ganz hatte ich das nicht kapiert, was mir heute wieder einen Anpfiff von Philippe einbrachte mit dem kryptischen Hinweis: „Du hängst Hund!“ Barbara, die mit einem normal angeleinten Airdeale Terrier neben mir stand, zeigte mir wie es geht. Ich fand keinen Unterschied zu meiner Art, ihn anzuleinen, aber ich sagte nichts, zumal auch Philippe zufrieden war. Vielleicht gibt es da einen speziellen Code unter Retrierverleinenanhängern???
„Kaufst Du Pfeife!“, hatte Philippe auch gesagt.
„Warum?“
„Weiß Dein Hund Bescheid!“
Jetzt, nach dem dritten Unterrichtstag muss ich zugeben: die Pfeife funktioniert, der Hund weiß Bescheid.
Einmal Pfeifen heißt „Sitz“, zweimal bedeutet „Komm“ und wenn man auf der anderen Seite hineinbläst bedeutet das „Platz“, wobei Alfred „Platz“ hasst wie die Pest und den Befehl nur angesichts mehrerer Tuben Leberwurst unter Protest ausführt. Jonathan fand die Pfeife auch toll, wollte sie gleich mit zum Fußballplatz nehmen – ich habe beiden verboten, hineinzublasen um dem Hund sein Training nicht zu erschweren.
„Sitz“ und „Komm“ funktionieren, wie gesagt ganz gut. Vielleicht ist Philippe ja doch der perfekte Ausbilder. Obwohl ich nach wie vor etwas skeptisch bin, denn Philippe geht nicht gerade zimperlich mit den Hunden um. Er sagt „Sitz“, und während Alfred noch gemächlich über den Sinn dieses Befehls nachdenkt, drückt er ihn auf dem Hinterteil hinunter. Er sagt „Platz“, und während Alfred sich gemütlich nach einem angenehmen Plätzchen für diese schier unlösbare Aufgabe sucht, schnappt er sich den Doodle und wirft ihn hin wie ein Ringer auf den Rücken…
Heute stand Gruppenarbeit auf dem Programm. Die Hunde stellen sich der Reihe nach auf, und dann geht jeder mit seinem Vierbeiner an den anderen vorbei. Und alle sollen sich gesittet verhalten. „Du machst Spaziergang ohne Stress vorbei an die Hunde“, befiehlt Philippe. Alfred zieht wie verrückt. Der Schweizer Sennenhund knurrt gefährlich. Philippe schüttelt den Kopf, er nimmt sich Alfred und marschiert mit ihm fröhlich an allen Hunden vorbei. Alfred macht keinen Mucks, er verhält sich mustergültig.
„Jetzt Du“, sagt Philippe. Alfred zieht los.
Ich frage mich, warum mich mein Hund immer zum Trottel machen muss. Glücklicherweise haben wir den Großen Schweizer Sennenhund in der Gruppe, der alle anderen Hunde hasst und vernichten will und sein zierliches Frauchen nahezu nach Belieben durch die Rheinauen zieht, sonst wären wir beide das schlechte Beispiel der Truppe. So können wir immer noch sagen, Gottseidank benimmt er sich nichts so wie Gismo…
Zwischendurch gibt Philippe recht nützliche Tipps, wie heute, als wir über eine Eisenbahnbrücke gegangen sind. Alfred hatte Angst vor den Zügen, auch weil die Brücke immer etwas vibrierte. „Gehst Du leise zu lauten Plätzen“, sagte Philippe, „gewöhnst Du ihn. Du musst cool bleiben und dann weiß Hund Du bist der Chef“.
Naja, kann ich ja mal probieren…